„Keine wertvolle Zeit verlieren!“
Rund 55.000 Menschen erhalten jährlich in Deutschland die Diagnose Darmkrebs. Während die Zahl der Neuerkrankungen dank Früherkennungsmaßnahmen zurückgeht, stellt die Behandlung von Patienten wie Thomas Bobran, bei dem sich bereits eine Metastase in der Leber gebildet hatte, nach wie vor eine besondere Herausforderung dar. Im WTZ (Westdeutsches Tumorzentrum) Münster am UKM (Universitätsklinikum Münster) konnten die Expertinnen und Experten die rund 20 Zentimeter große Absiedelung mithilfe eines innovativen robotischen OP-Verfahrens erfolgreich entfernen. Die Leber wächst dabei im Körper nach. | lie
Etwa so groß wie ein Handball und rund 1,5 Kilogramm schwer war die Metastase, die sich bei Thomas Bobran in der Leber gebildet hatte. „Eigentlich hatte ich kaum Beschwerden – ab und zu beim Husten ein leichtes Ziehen unter dem Rippenbogen“, erzählt der 64-Jährige aus Nordhorn. Er ging zum Hausarzt, der vermutete zunächst Gallensteine und machte einen Ultraschall. Dabei wurde die bereits über 20 Zentimeter große bösartige Veränderung entdeckt. Weitere Untersuchungen in Bobrans Heimatstadt ergaben, dass es sich dabei um die Absiedelung eines früheren Darmkrebses handelte. Zur weiteren Behandlung kam der Rentner in das WTZ Münster am UKM.
„Insgesamt sinkt die Zahl der Darmkrebs-Neuerkrankungen in Deutschland dank Früherkennungsmaßnahmen wie der Darmspiegelung kontinuierlich. Und wie bei jeder Krebserkrankung gilt: Je früher sie entdeckt wird, umso besser ist die Prognose“, sagt Prof. Benjamin Strücker, Leitender Oberarzt in der Klinik für Allgemeinchirurgie am UKM. „Doch auch, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben, haben sich die Heilungschancen dank innovativer OP-Techniken und multimodaler Therapieverfahren inzwischen deutlich verbessert“, betont der Mediziner.
Wichtig sei, ein Bewusstsein für diese Fortschritte in der Öffentlichkeit zu schaffen, damit sich die Betroffenen möglichst zeitnah in einem spezialisierten Zentrum über mögliche Therapieoptionen informieren. Als sich Bobran bei den Spezialistinnen und Spezialisten im UKM vorstellte, sahen diese statt der zuvor empfohlenen palliativen Chemotherapie die Möglichkeit, den Tumor trotz seiner Größe und Lage zu entfernen. „Den kriegen wir raus!“, lautete Strückers Urteil. „Gerade bei so großen Befunden ist es wichtig, keine wertvolle Zeit zu verlieren“, so der Chirurg weiter. Und Thomas Bobran war dankbar für diese Behandlungsalternative: „Ich war guter Dinge. Ich wollte, dass es losgeht!“
Strücker und sein Team wählten für die erweiterte halbseitige Leberentfernung das sogenannte ALPPS-Verfahren. „ALPPS steht für Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy“, erzählt der Experte für Leberchirurgie. Dabei handelt es sich um eine OP-Technik, die sich zunutze macht, dass die Leber im Körper nachwächst, wenn man einen Teil davon chirurgisch entfernt. „Das Verfahren haben wir bei Herrn Bobran eingesetzt, weil der gesunde Teil der Leber so klein war, dass wir den erkrankten nicht in einem Schritt herausnehmen konnten“, erklärt Prof. Strücker. Denn mindestens 30 bis 40 Prozent des Organs müssen nach einer Operation erhalten bleiben, damit es nicht zu einem Leberversagen kommt. Daher wird bei der ALPPS während eines ersten Eingriffs zunächst die Blutzufuhr zum erkrankten Teil der Leber gekappt und dieser vom gesunden Gewebe getrennt. Er verbleibt aber noch im Körper. „Der gesunde Teil wird dann stärker durchblutet und wächst innerhalb von sieben bis zehn Tagen um bis zu 100 Prozent nach“, so der Mediziner. Während einer zweiten OP kann dann der befallene Teil der Leber entfernt werden.
„Die minimalinvasiven robotischen Verfahren haben für die Patientinnen und Patienten den Vorteil, dass es zu weniger Komplikationen kommt und die Krankenhausaufenthalte deutlich kürzer sind als bei den großen offenen OPs“, betont Strücker.
Dazu trage auch das ERAS-Programm weiter bei. ERAS steht für Enhanced Recovery After Surgery, also die beschleunigte Erholung nach einer Operation. Ziel des internationalen Behandlungskonzepts ist es, die Betroffenen durch die optimale Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen bestmöglich auf die Zeit vor, während und nach der Operation vorzubereiten. Auch Thomas Bobran ist nach den Vorgaben des Konzepts behandelt worden. Bei beiden Eingriffen war er jeweils nach drei Tagen wieder so fit, dass er das Krankenhaus verlassen konnte. Jetzt möchte er sich erstmal beim Urlaub mit seiner Frau auf seiner Lieblingsinsel Gran Canaria erholen. „Und ich freue mich schon darauf, danach wieder einmal in der Woche Fußball zu spielen“, blickt er nach vorn.
Foto (UKM/ Wibberg): An spezialisierten Zentren gibt es auch bei metastasierten Darmkrebserkrankungen erfolgversprechende Behandlungsoptionen: Prof. Benjamin Strücker (l.) und Thomas Bobran.
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