Von Chimären und Trojanern: Wirkungsvolle Waffen im Kampf gegen Krebs
Kein Mythos, sondern Realität sind die innovativen Wirkstoffe, mit denen die Spezialisten Krebszellen zielgerichtet angreifen und immer mehr Tumorerkrankungen erfolgreich behandeln können. Im Interview erklären Prof. Annalen Bleckmann, Direktorin des WTZ (Westdeutsches Tumorzentrum) Münster am UKM (Universitätsklinikum Münster), und Prof. Georg Lenz, Direktor der Medizinischen Klinik A und Wissenschaftlicher Direktor des WTZ Münster, welche neuen Therapien es gibt und wie sie funktionieren.
In den letzten zehn Jahren haben sich die Behandlungsoptionen quasi exponentiell vermehrt. Wodurch wurde das möglich?
Prof. Bleckmann: Die Heilungschancen bei Krebshaben sich dank der Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft deutlich verbessert. Wir wissen heute viel mehr über die spezifischen Eigenschaften der vielen verschiedenen Tumorarten. Und je genauer wir deren jeweilige Schwachpunkte – also quasi die Achillesferse – kennen, desto gezielter können wir angreifen.
Prof. Lenz: Wichtig ist dabei eine enge Verbindung zwischen der intensiven Grundlagenforschung und der klinischen Arbeit, damit die neugewonnenen Erkenntnisse dann auch direkt in Diagnostik und Therapie einfließen und den Patientinnen und Patienten zugutekommen.
Welche neuen Therapien gibt es und für wen sind sie geeignet?
Prof. Bleckmann: Zusätzlich zu Chemo-, Strahlentherapie und Operation – den bekannten Grundpfeilern der Krebsbehandlung – gibt es inzwischen eine Vielzahl innovativer Therapien, die sich grob zwei unterschiedlichen Strategien zuordnen lassen. Bei der einen geht es um eine Stärkung des Immunsystems der Erkrankten. Denn Krebszellen werden von der körpereigenen Abwehr häufig nicht erkannt, weil sie sich eine Art eingebauten Sicherheitsmechanismus des Körpers, die sogenannten Checkpoints, zunutze machen. Diese Checkpoints sind vergleichbar mit Kontrollstationen und sollen eigentlich eine Überreaktion des Immunsystems verhindern. Sie ermöglichen es den Tumorzellen aber auch, sich vor den Abwehrzellen zu verstecken. Mithilfe neu entwickelter Antikörper wird die Funktion dieser Checkpoints gehemmt, das Immunsystem kann die bösartigen Veränderungen entdecken und bekämpfen.
Prof. Lenz: Eine der ersten Krebserkrankungen, bei der diese sogenannten Checkpoint-Hemmer sehr erfolgreich eingesetzt worden sind, ist das Melanom – also schwarzer Hautkrebs. Inzwischen können wir sie auch bei vielen anderen Krebsarten als vielversprechende Behandlungsoption anbieten. Es gibt noch eine Reihe weiterer künstlich hergestellter Antikörper, die gezielt an bestimmte Veränderungen auf der Oberfläche von Krebszellen andocken und sie so für das Immunsystem sichtbar machen. Einige davon können zudem nach dem trojanischen Prinzip hochwirksame Chemo-Therapeutika direkt in die Krebszelle einschleusen.
Eine Neu-Entwicklung im Bereich der Immunonkologie ist die CAR-T-Zell-Therapie – CAR steht dabei für Chimeric Antigen Receptor. Hier werden die körpereigenen Abwehrzellen außerhalb des Körpers für den Kampf gegen den Krebs genetisch verändert und dadurch sozusagen aufgerüstet und den Erkrankten dann zurückgegeben. Zugelassen ist diese innovative Therapie bisher zum Beispiel bei aggressivem Lymphdrüsenkrebs und bestimmten Leukämieformen.
Prof. Bleckmann: Die zweite Strategie bei den zielgerichteten Therapien hat dann einen anderen Ansatzpunkt, der sich etwas knapper zusammenfassen lässt: Unabhängig vom Immunsystem wirken die neuen Medikamente – die sogenannten Kinase-Hemmer – hier direkt in den Krebszellen. Kinasen sind Enzyme, die wichtige Zellfunktionen steuern. Wenn sie gezielt blockiert werden, bremst das unter anderem das Tumorwachstum aus. Wichtig dafür ist eine genaue Untersuchung der individuellen Tumorgene, damit wir die jeweilige Schwachstelle ausmachen und therapeutisch nutzen können.
Wie verändert sich die Krebsmedizin und was bedeutet das für die Patientinnen und Patienten?
Prof. Lenz: Da die neuen Therapien individuell maßgeschneidert sind, ermöglicht das eine viel höhere Passgenauigkeit – also deutlich mehr Wirkung bei zumeist guter Verträglichkeit. Für die Betroffenen bedeutet das mehr Lebenszeit und auch mehr Lebensqualität! Dabei ist es wichtig, immer zunächst genau zu schauen, welche Behandlung bei welcher Patientin oder welchem Patienten erfolgsversprechend ist. Die Diagnostik nimmt daher heute deutlich mehr Raum ein. Natürlich lässt sich momentan leider noch nicht jede Krebserkrankung heilen. Aber die Forschung in der Krebsmedizin macht ständig Fortschritte. Das Ende der Entwicklung ist noch lange nicht erreicht. Das ist erst der Beginn!
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Durch den Zusammenschluss werden zusätzliche Synergie-Effekte in den Bereichen Forschung, Lehre und Therapie sowie in Aus-, Fort- und Weiterbildung geschaffen – zum Wohle unserer Patienten.